Mit der Genehmigung von Annegret Ulbricht, welche sich für und mit uns von Sabine verabschiedet hat, möchte ich an dieser Stelle die Rede zur Verabschiedungsfeier veröffentlichen.


LEBEN IST INHALT- NICHT DAUER

Liebe Sabine, liebe Angehörige, liebe Weggefährten,

wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Sabine Grotzsch. Sabine wurde 26 Jahre alt.

Als Maxime für diese Abschiednahme wählten wir Sabines Ausspruch: „Leben ist Inhalt - nicht Dauer!“ weil er so treffend die beachtenswerte Lebenseinstellung und Lebensleistung dieser außergewöhnlichen Frau kennzeichnet.

Sabine hatte ein enges Verhältnis zur Sprache. Glück, Liebe, Schmerz... konnte sie am besten selbst in Worte fassen. Ihre Gedichte geben beredt Auskunft über ihr “kurzes, heftiges, bequemes und unendlich volles Leben“ Zitat Sabine aus „Brief an das Leben“

Aus diesem Grund möchten wir sie heute auch selbst zu Wort kommen lassen. Sie selbst und ihren lieben kleinen Freund, der sie stets begleitete: den kleinen Prinzen.

„Das ist eines meiner Probleme, die tief sitzen. Es gibt so viel abzugeben. Zu viel. Oft die Frage in meinem Kopf: wer will das? Wer braucht das? Und gleichermaßen oft die vielen Momente, in denen ich eintauchen konnte, eintauchen durfte- in euch, euer Leben, eure Sinne, euer Handeln, eure Küsse. Ich sehne mich danach, nach Menschen und dass ich ein klitzekleines „Etwas“ da lassen darf, kann...Spuren hinterlasse....“  
Zitat Sabine aus „Brief an das Leben“

Liebe Sabine, ja wir wollen das alles haben, wir brauchen das - alle, wie wir hier sitzen. Du hast Spuren hinterlassen, und mächtig große „Etwas`“! Diese tiefe Sorge um deine Nächsten zum Beispiel zeichnete dich aus, dein Eintauchen in das Leben Anderer , deine Anteilnahme daran. Und immer deine Frage: wie kann ich meinen Lieben den Kummer abnehmen, mich eines Tages vermissen zu müssen? „Man ist zeitlebens für das verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat...“ heißt es im kleinen Prinzen - du hast es dir zum Grundsatz gemacht. Du hast ganz viele Menschen ebenso an deinem Leben teilhaben lassen: “Ich möchte euch teilhaben lassen- ..Ich möchte mich freilegen, mich verschwenden, mich aufreiben und absolut verbrauchen. Ich wünsche mir, dass ihr mich sucht und euch holt, was ihr braucht; so wie ich euch suche...jeden zu seiner Zeit, jeden zu seinem Thema, jeden zu seinem Gefühl. ...“
Zitat Sabine aus „Brief an das Leben“

Wir vermissen dich unendlich, Sabine. Wir sind unbeschreiblich traurig. Trauer ist der Preis, den wir dafür zahlen, Liebe zu empfinden. Wir sind froh, dich geliebt zu haben, uns von dir haben zähmen zu lassen...

Fuchs und kleiner Prinz

Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen andern unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos. Die
Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Das Gold der Weizenfelder
wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide lieb gewinnen.«

So machte denn der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die Stunde des Abschieds nahe war: »Ach!« sagte der Fuchs, »ich werde weinen.«
»Das ist deine Schuld«, sagte der kleine Prinz, »ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, daß ich dich zähme...«
»Gewiß«, sagte der Fuchs.
»Aber nun wirst du weinen!« sagte derkleine Prinz.
»Bestimmt«, sagte der Fuchs.
»So hast du nichts gewonnen!«
»Ich habe«, sagte der Fuchs, »die Farbe des Weizens gewonnen.«
»Adieu«, sagte er...(der kleine Prinz)
»Adieu«, sagte der Fuchs. »Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«
»Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar«, wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
»Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen«, sagte der Fuchs. »Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“

Auch wir haben die Farbe des Weizens gewonnen. Und noch so viel mehr. Deine Art, dein Leben stets selbstbestimmt zu gestalten, bewusst zu leben, verantwortungsvoll, mit allen Sinnen- und immer auf der Überholspur... Dein tiefes Bedürfnis, mitzureden, mit zu gestalten, mit zu bestimmen (oder doch lieber gleich selbst zu bestimmen)... nachzufragen - auch unbequeme Fragen zu stellen...

Deine überragende Leistung, trotz deiner schweren Krankheit Schule, Ausbildung, Beruf zu meistern, dich um deine Hausgemeinschaft zu kümmern (du hast nicht eher geruht, bis du alle an einem Tisch hattest!) ehrenamtlich in einem Hospiz zu arbeiten...und dich einem großen Freundeskreis zu widmen. Du wolltest nicht, dass die Menschen nur nebeneinander her leben. Es war dir immer wichtig, den Menschen zu vermitteln, dass sie nicht gleichgültig und oberflächlich, sondern achtsam miteinander umgehen mögen...

Deine Fähigkeit zu genießen; Musik, Bücher, Theater... waren für dich unverzichtbare Lebensmittel. Zusammensein mit lieben Menschen- Schwatzen, Klönen, Philosophieren...

Faul sein. Ausruhen. Träumen. Schreiben... auch das konntest du gut.

Deine beispiellose Einstellung zu deiner Krankheit, deiner Lebenserwartung. Du hast von Vorherbestimmtheit gesprochen, dass diese Krankheit zu dir gehört... dass sie dich ausmacht.

„Ich vertraue dem Leben; ich vertraue auf die so gedachte „Lebenskerze“. Albert Einstein soll gesagt haben: Gott würfelt nicht! Das ist mein Motto. Alles hat seine Berechtigung....“ Sabine Wenn morgen eine gute Fee käme, und dir anbieten würde, deine Krankheit wegzuzaubern- dann, so meintest du, würdest du die Fee wegschicken...

„Ich glaube, dass Krankheiten Schlüssel sind, die uns gewisse Tore öffnen können.Denn ich glaube, es gibt gewisse Tore, die nur Krankheiten öffnen können.“ André Gide

Deine tiefe Dankbarkeit gegenüber dem Leben, der Gemeinschaft, deinen Lieben... ist beispielgebend. Geben und Nehmen waren für dich keine leeren Floskeln. Du warst dankbar für dein Leben, für die Lebenszeit, die für dich “vorgesehen“ war. Du sagtest, dass deine Krankheit bis vor kurzem als Kinderkrankheit galt- und dass du immerhin erwachsen geworden seist- und dankbar dafür bist. Diese Lebenseinstellung zeugt von einer Größe, die weit über unser Begreifen hinaus geht.

Liebe und Dankbarkeit für deine Angehörigen/Freunde/Weggefährten hat dich stets bewegt:

„Ich möchte nicht vergessen, euch zu sagen, wie dankbar ich bin....Jeder von euch hat mich glücklich gemacht, mich groß werden lassen. Danke für eure Hingabe. Danke für eure Zuneigung, eure Geduld, euer Vertrauen, eure Angst, eure Sinne. ...“Sabine

Und es ist wahr: die Liebe, die deine Familie dir ins Herz gelegt hat, hat dich, Sabine, so groß werden lassen. Sie hat dir stets Geborgenheit, unbeirrbaren Glauben an das Gute im Menschen, Herzenswärme, aufopferungsvolle Pflege und Hingabe entgegengebracht.

Wir verneigen uns voll Bewunderung und Respekt vor dieser tapferen, kämpferischen und liebevollen Familie! Wir versichern euch unser aufrichtiges Mitgefühl bei diesem unersetzlichen Verlust und wünschen euch Kraft und Mut, durch diese Trauer zu gehen!

Liebe Sabine, du hast tiefe Spuren hinterlassen: in unseren Herzen wirst du weiterleben, so wie du es dir gewünscht hast:

Sabine, Anfang März 2000

Wenn ich geh

Wenn das Materielle an seine Grenzen kommt
die Maschinen abgestellt werden
während ich bereit bin
glücklich zu gehen

Wenn ich nur noch ich bin
mein Körper sich zersetzt
während ich in den Herzen
der Liebenden weiterlebe

Dann, liebe Freundin,
dann denke an mich
und unsere gemeinsamen Stunden
und lächel` dabei

Dann, wenn du mein Bild trägst
alte Erinnerungen vergräbst
dann werde ich bei dir sein
wenn du mich willst


„Liebes Leben, was bleibt von mir? Was bleibt von der Zeit?"Sabine

Dein Lachen, Sabine! Dein Lachen und dein Haar mit der Farbe des Weizens: zwei leuchtende Sterne und deine Markenzeichen! Wie könnten wir es je vergessen!

Wir bestatten heute deine Hülle, denn du kannst sie nicht mitnehmen auf deine letzte Reise.

Du bist jetzt immer noch du und wir werden dich nie vergessen, werden dich rufen, dein Bild in uns tragen- werden versuchen, tapfer zu sein und lächeln- weil du das so gern hattest...

Abschiedsszene kleiner Prinz und Pilot

Du, du wirst Sterne haben, wie sie niemand hat ... Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können!

Und wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so, zum Vergnügen ...Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, daß du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: ,Ja, die Sterne, die bringen mich immer zum Lachen!' und sie werden dich für verrückt halten. Ich werde dir einen hübschen Streich gespielt haben... Es wird sein, als hätte ich dir statt der Sterne eine Menge kleiner Schellen geschenkt, die lachen können ...


hier die von Hanna getöpferte und bemalte Urne - Danke Hanna!

Das Zeichen unsere Trauspruches: Glaube - Liebe - Hoffnung